Multiscreen, Multi-Screen, Multi-Device, Cross-Device, Cross-Plattform

Multiscreen

Wie erklärt man Kunden oder Projektbeteiligten mit einem verständlichen Begriff worum es geht, wenn eine Anwendung, eine Website oder allgemein Service auf verschiedenen Screens benutzbar sein soll? Und wie kommuniziert man die damit verbundenen Herausforderungen und Möglichkeiten unter einer gängigen Bezeichnung? Die zunehmende Gerätefragmentierung bringt neue Herausforderungen für Designer, Konzepter, Entwickler, Redakteure und Verantwortliche für Software oder Websites mit sich. Wie umschreibt und definiert man die Rahmenbedingungen für plattform- und geräteübergreifende Projekte am besten? Viele Begriffe machen die Runde: Multiscreen, Multi-Screen, Multi-Device, Cross-Device, Cross-Plattform usw.

Die Begriffe sind je nach Betrachtung synonym zu verwenden oder setzen abhängig von der Sicht- und Herangehensweise einen anderen Fokus – entweder auf die Geräte als Ganzes (Hardware), „nur“ die (Touch-) Bildschirme, die verschiedenen Plattformen oder eben das Thema (strategisch und konzeptionell gesehen) an sich. Als Oberbegriff bietet sich Multiscreen an und wird in diesem Zusammenhang verstärkt verwendet.

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren sehr ausführlich mit diesem Thema und habe unter anderem mit meinem ehemaligen Kommilitonen Valentin Fischer eine Master-Arbeit und anschließend ein Buch dazu geschrieben.

Multiscreen

Es gibt (noch) keine offizielle Definition des Begriffs “Multiscreen”. Leider wurde mein Wikipedia-Vorschlag bislang nicht akzeptiert. Gerne nutze ich Websprech dafür, unsere Begriffsdefinition, die natürlich auf Basis umfangreicher Recherchen und im Abgleich mit verschiedensten Quellen entstanden ist, vorzustellen.

Multiscreen oder Multi-screen kommt aus dem Englischen und ist zusammengesetzt aus den Begriffen Multi (mehrfach) und Screen (Bildschirm). Allgemein bedeutet Multiscreen, dass (mehrere) verschiedene Screens (Bildschirme) bzw. Endgeräte für eine oder während einer Tätigkeit genutzt werden. Screen steht hier stellvertretend für ein Gerät (engl. Device) mit einem fest eingebauten Bildschirm. In Bezug auf die Endgeräte ist vor allem im Englischen auch der Begriff »Multi-Device« gängig.

Meistens bezieht sich der Begriff Multiscreen vorwiegend auf die Verwendung der vier gängigsten Gerätetypen (darauf liegt auch der Fokus des erwähnten Buchs): Smartphone, Tablet-PC, Laptop oder PC und internetfähiges TV-Gerät. In einem Artikel auf BGR, in dem Sony-CEO Howard Stringer im Bezug auf die Sony-Ambitionen zu einem Internet-TV zitiert wird, werden exakt diese vier Screens erwähnt: “[…] a ‘four screen’ approach that includes mobile devices such as tablets and phones, as well as computers and televisions […]“.

Es ist damit zu rechnen, dass zukünftig weitere Screens dazukommen (z.B. Google Glass), andere Bildschirme sollte man ggf. auch berücksichtigen. Beamer lassen sich meistens ähnlich wie ein TV-Gerät behandeln. Touch-Displays oder Kiosk-Systeme können je nach Projekt ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Unterscheidung Anwendung und Szenario

Eine Multi­screen-Anwendung ist mit verschiedenen Endgeräten nutzbar und somit Cross Device-fähig. Wenn ein System oder eine Anwendung über mehrere Plattformen und Betriebssysteme (Android, Windows, iOS, etc.). hinweg genutzt wird, spricht man von Cross-Plattform (plattformübergreifend). Cross-Plattform ist eingedeutscht. Der englische Begriff schreibt sich natürlich nur mit einem „t“. Beispiele für Multiscreen-Anwendungen sind die Angebote oder Apps von YouTube, iTunes, Google, Evernote, Wunderlist, Instapaper, Twitter oder Facebook. Die Daten liegen dabei meist in der Cloud oder werden zumindest regelmäßig vom Speicher(medium) des Endgeräts mit einem Server synchronisiert und sind dadurch geräteübergreifend (cross-device) verfügbar.

In einem Multi­screen-Szenario werden mehrere (oft verschiedene) Endgeräte bzw. Geräteklassen oder Bildschirme (und damit auch Informationsangebote) gleichzeitig genutzt. Während man fernsieht, kann man zum Beispiel parallel Twitter und Facebook am Tablet nutzen, mit dem Handy oder Smartphone eine SMS schreiben oder am Laptop E-Mails bearbeiten. Die Screens müssen nicht zwangsläufig von einem Hersteller bzw. einer Plattform stammen. Ein privates Multiscreen-Setting kann beispielsweise aus einem Sony-Fernseher mit Google TV, einem Windows-PC, einem Samsung-Handy mit Android-Betriebssystem und dem Apple iPad bestehen.

Die parallel genutzten Informationsangebote können sich gegenseitig ergänzen oder miteinander kommunizieren, müssen aber nicht zwingend in direktem Bezug zueinander stehen.

Personen, die gleichzeitig mehrere Screens und somit auch Anwendungen benutzen, werden als Multiscreener bezeichnet. Microsoft verwendete diesen Begriff in der Studie “What’s On Their Screens. What’s On Their Minds” aus dem Jahr 2010.
Ich persönlich bevorzuge übrigens die zusammengesetzte Schreibweise – nicht „multi-screen“ – (schon alleine wegen der Hashtag-Tauglichkeit).

Andere und ähnliche Begriffe

Der Begriff Multi-Head stellt in gewisser Weise einen Teilbereich im Sinne von Multiscreen dar und entspricht weitgehend dem Multiscreen Pattern “Screen Sharing“. Bei meinem Versuch Multiscreen in die Wikipedia aufzunehmen wurde ich übrigens auf die Multi-Head-Definition verwiesen. Das greift in meinem Verständnis von Multiscreen (s.o.) aber viel zu kurz. Die Darstellung einer Information(squelle) verteilt sich auf mehrere Screens und/oder wird dabei auf diese ausgelagert oder erweitert. Dieses Pattern wird unter anderem in den Multiscreen Patterns von Precious Design Studio aus Hamburg beschrieben. Darin werden auch fünf weitere Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Screens bzw. Endgeräte vorgestellt.

Eine ausführliche Erläuterung dieser und weiterer Patterns und vieler ebenfalls wichtiger Faktoren und Parameter für die Strategieentwicklung und Konzeption von digitalen Services für verschiedene Endgeräte findet sich in unserem Buch „Multiscreen Experience Design“ (Herausgeber, digiparden GmbH / erhältlich bei Amazon).

Historie Multi-Device bzw. Multiscreen

Luke Wroblewski geht in einem Artikel Multi-Device Web Design: An Evolution aus dem November 2011 bewusst auf die zu diesem Zeitpunkt zurückliegenden 18 Monate im Bereich Multiscreen Webdesign ein, weil sich speziell in diesem Zeitraum im Bereich Multiscreen extrem viel getan hat und der Begriff geprägt wurde. Dieser Zeitraum ist interessanterweise übrigens exakt derselbe, in dem unsere Master-Thesis entstanden ist.

Welches ist der beste Begriff?

Ergebnis

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Nachfolgend noch ein paar unvollständige, repräsentative Quellen, in denen der Begriff verwendet wird.

Einzelnachweise und Weblinks

13 comments

  1. Treml says:

    Wenn man den Sachverhalt jemandem, der nicht vom Fach ist, verständlich machen muss, würde ich nicht so verkrampft versuchen, das Ganze in einem einzelnen Hauptwort zusammenzufassen. »Funktioniert auf verschiedenen Geräten« ist vielleicht etwas länger, sollte aber jedem Laien verständlich sein.

    Von den vorgeschlagenen Begriffen wäre Multiscreen/Multi-Screen meine letzte Wahl. Das liegt daran, dass ich selbst daheim zwei Monitore an ein und demselben Rechner hängen habe und eher so etwas mit diesem Wort assoziiere statt komplett verschiedener Geräte.

    Multi-Device sollte meiner Meinung nach dem, der des Englischen mächtig ist, noch am besten vermitteln können, worum es geht.
    Wenn man mit Leuten vom Fach spricht, sind Cross-Plattform oder Cross-Device sicher auch eine gute Wahl, weil das in dem Umfeld recht geläufige Begriffe sind.

  2. QWERTZwerk says:

    Sehe ich genauso wie Treml. Multiscreen ist unter PC-Anwendern die gängige Bezeichnung für die Verwendung mehrerer TFTs an einem Rechner. Im Artikel wird das Multi-Head genannt – ein Begriff, der mir in etlichen Jahren als Multiscreen-User nie untergekommen ist. Auch in entsprechender Software für Mehrbildschirm-Anwender heißt es fast immer „Multiscreen“ oder „Multi-Display“ in den Optionen. Grafikkartenhersteller Nvidia benutzt die Bezeichnung: http://www.nvidia.com/object/nvs-graphics-cards.html

    Matrox nutzt ihn: http://www.matrox.com/graphics/de/solutions/mac/

    AMD nutzt ihn: http://www.amd.com/us/products/technologies/amd-eyefinity-technology/Pages/eyefinity.aspx

    Deshalb erschließt sich mir gerade nicht der Sinn, bei der Begriffsfindung querzuschießen.

  3. mz says:

    Bei Multiscreen denke ich an mehrere Bildschirme an einem Gerät und nicht an Multi-Device. Mangels eingängigem Beispiel in dem Artikeltext erschließt sich die Bedeutung von Multiscreen nur sehr schwer. Ich bin mir immer noch nicht sicher ob mit Multiscreen eine Anwendung die sich unterschiedlich darstellt (z. B. Website mit reaktionsfähigem Layout [engl. responsive design]) gemeint ist oder Anwendungen wie Shazam oder die arte About Kate App, die während man Fernsehen schaut auf dem Smartphone zusätzliche Informationen und Interaktionsmöglichkeiten bereitstellen (so hab ich die Funktionen zumindest verstanden, genutzt habe ich sie noch nicht).

  4. Niels Anhalt says:

    Ich finde Eure Ausführungen zum Thema Multiscreen und die verschiedenen Arten der Multiscreennutzung sehr gut. Allerdings fokussiert der Begriff sehr stark auf die Ausgabedimension und vernachlässigt aus meiner Sicht die ebensowichtige Eingabedimension. Als User-Experience-Designer kommt mir zudem insgesamt der Nutzer zu kurz, weil zu viel über Screens und Geräte gesprochen wird. Daher finde ich den Begriff Multicontext passender und umfassender. Meine Vortragsslides zu diesem Thema auf dem UXcamp im letzten Jahr finden sich hier: http://de.slideshare.net/mobile/nielsa/mobile-go-home-welcome-multicontext

  5. Danke für Eure Kommentare. Danke auch an alle, die bei der Abstimmung mitgemacht haben!

    Bei Multiscreen geht es auch aber nicht nur um Responsive Design. Das Thema ist größer und umfassender. In „Unterscheidung Anwendung und Szenario“ wird beschrieben, dass es sowohl um um die Parallelnutzung geht als auch um einen Service, der auf verschiedenen Geräten funktioniert (dazu gehört neben dem Inhalt und der Interaktion natürlich auch das Layout). Die angegebenen Links und Quellen belegen, dass sich der Begriff Multiscreen in dem beschriebenen Zusammenhang zunehmend als Begriff etabliert (hat).

    In unserem Buch wird das ganze Thema noch ausführlicher beschrieben. Vielleicht hilft auch folgendes Diagramm, um Multiscreen und die angrenzenden Themen einzuordnen:
    http://msxbook.com/stuff/MSX_Diagramm.pdf

    @Niels Anhalt: Natürlich geht es beim Multiscreen Experience Design nicht nur um die Geräte oder Screens. Drei Faktoren sind wichtig: 1.) Gerät/Screen 2.) User 3.) Nutzungskontext – alle drei beeinflussen sich stets gegenseitig.

    Nachzulesen im Buch. Siehe auch meine Präsentation (z.B. auf der IA Konferenz 2012).
    http://de.slideshare.net/wolframnagel/multiscreen-experience-mai-2012-ia-konferenz-essen

    Wer sich für das Thema näher interessiert, Achim stellt das Multiscreen-Buch im Design Tagebuch vor: http://www.designtagebuch.de/buchvorstellung-multiscreen-experience-design/ Man kann sogar ein Exemplar gewinnen.

    Freue mich weiterhin über Feedback und Meinungen! Bald wird es auch noch eine Website zu dem Projekt geben…

  6. Benny Lava says:

    Warum werden in der Anstimmung nur „Multiscreen“ in der korrekten Schreibweise angeboten, ansonsten nur die zweite Wahl?

    Unter Multiscreen verstehe ich auch mehrere Displays an einem Computer.

  7. Christian Maier says:

    Für mich ist entscheidender was ich zu unterscheiden versuche. Multi(-)Screen konzentriert sich rein vom Begriff auf den Screen und damit für das Design auf die Auflösung.
    Dass dies oft mit dem Device gekoppelt ist, ist z.T. Zufall – vgl. die Ausführungen zu den Multi-Display Usern – z.T. aber auch bauartbedingt (Tablet, Smartphone).
    Für das Device bzw. für den Designer, der das Device optimal unterstützen will, ist dann noch Cross(-)Device wichtig. Das steht für mein Verständnis aber für die Nutzung ein und der selben Seite, durch ein und den selben User, auf verschiedenen Geräten. Also z.B. die Info-Suche im Büro auf Desktop, den Preis-Check auf dem Nachhauseweg auf dem Smartphone und dann (nach Abstimmung mit dem Partner) den Kauf auf dem Tablet zuhause auf dem Sofa.

    Die unterschiedlichen Begriffe machen für mich schon Sinn und sind je nach Zielausrichtung entsprechend einzusetzen. Dass dies für den Designer dann letztendlich zum gleichen Optimierungsschritt führt ist eher wieder Zufall…

  8. Hallo Christian,

    bin gerade auf deinen Kommentar gestoßen. Der „Multiscreen Experience Design“ Ansatz ist ganzheitlich. Es geht grundsätzlich um ein Gerät mit Bildschirm, aber auch um die Nutzer, den jeweiligen Nutzungskontext und um verschiedene Strategien und Patterns, die für das jeweilige Projekt oder den Service sinnvoll sind.

    Das was du am Ende des zweiten Absatzes beschreibst ist ein typisch sequentielles Verhalten, bei dem der Nutzer zur Erledigung einer Aufgabe zwischen mehreren/unterschiedlichen Screens (bzw. Gerätetypen mit Bildschirmen) wechselt.

    Jeder Screen benötigt in irgendeiner Form ein „Gerät“. Wenn ich mich zu Projektbeginn damit beschäftigte welche Touchpoints und Geräte für den jeweiligen Nutzer relevant sind, um ggf. eine Priorisierung für den Projektfokus vorzunehmen, definiere ich bewusst die zu berücksichtigenden Geräte (mit einem Bildschirm).

    Grundsätzlich drehen sich alle Begriffe um das gleiche Thema, das ist schon richtig. Je nach Begriffswahl impliziert das schon ein bisschen worauf der Fokus liegt. In der Umfrage ging es darum welche Begriffe am häufgisten genutzt werden und am besten passen.

    Viele Grüße
    Wolfram

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